Innenraum
Die historische Fotografie zeigt den Innenraum in seiner ursprünglichen Gestalt von 1907.
Der Kirchenraum war nach dem reformorientierten Wiesbadener Programm konzipiert, nach dem Architektur und Raumgestaltung einer evangelischen Kirche dem evangelischen Gottesdienst-Verständnis entsprechen sollten. Im Sinne des Wiesbadener Programms löste der Architekt Friedrich PÜTZER das traditionelle Gegenüber von Gemeinde und Altarraum auf. Dazu realisierte er einen zentralen Kanzelaltar: Kanzel und Altar wurden nicht getrennt voneinander angeordnet, sondern bildeten eine Einheit. Der Kanzelaltar war in die Gemeinde hinein gezogen, die sich so symbolisch um das Wort, also die Kanzel, und das Sakrament, also den Altar, versammelte. Das entsprach der theologischen Auffassung der Reformatoren, dass Wort und Sakrament gleichwertig sind und es auch keine Trennung zwischen „Priestern“ und „Laien“ gibt.
Hinter dem Kanzelaltar befand sich die Orgel und auch Chöre fanden dort ihren Platz. Somit wurde die Bedeutung der Musik für die Liturgie unterstrichen. Außerdem war die Kirche mit Zierbändern und Ornamenten ausgeschmückt – auf dem Triumphbogen und den seitlichen Gurtbögen. Der Epoche entsprechend waren die Ausmalungen im Jugendstildekor in Grün, Braun und Gold gehalten.
Aus der Ursprungszeit sind noch einige wenige Elemente geblieben:
Am Hauptpfeiler befindet sich die Paulusfigur des Bildhauers Augusto VARNESI. Paulus ist hier in imposanter Strenge dargestellt. Er trägt ein römisches Gewand. In den Händen hält er ein Schwert und ein Buch. Das Schwert steht für die Kraft des Wortes Gottes und das Buch für die theologische Gelehrsamkeit des Paulus in seinen Briefen. Der ornamentale Schmuck an der Kanzel, dem Altartisch und den Säulen stammt ebenfalls aus der Werkstatt VARNESIS.
Der heute sichtbare Kirchenraum ist das Ergebnis einer Neukonzipierung in der Nachkriegszeit, die auch ein verändertes theologisches Programm verfolgt hat. In der unübersehbaren Spannung zwischen dem ursprünglichen Raumkonzept und der Umgestaltung in der Nachkriegszeit ist der Gottesdienstraum der Pauluskirche ein lebendiges Dokument der Kirchengeschichte und ein eindrückliches Beispiel dafür, wie theologische Positionierungen ein Kirchengebäude prägen und verändern.
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